Deutschland ist weltweit der größte Abnehmer von Orangensaft aus Brasilien. Und das hat Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen von rund einer halben Million Beschäftigten, auf 238.000 Pflücker/innnen und Fabrikbeschäftigte in Brasilien
und 250.000 Beschäftigte im deutschen Einzelhandel. Eine neue Studie der Christlichen Initiative Romero (CIR) und ver.di stellt die gesamte Orangensaft-Lieferkette von den Plantagen Brasiliens bis in die deutschen Supermärkte dar und deckt die
prekären Arbeitsbedingungen hier wie dort auf. Unsere brasilianische Orangenpflückerin im Porträt ist nur eine von vielen, die heute nicht mehr arbeiten kann, weil die Arbeitsbedingungen ihren Körper kaputt gemacht haben.
Und das sind die weiteren Fakten: Nur rund 52.000 von den circa 238.000 Beschäftigten in der Anbauregion Sao Paulo sind festangestellt; die Mehrzahl arbeitet mit Saisonverträgen. Um auf den staatlichen Mindestlohn von 690 Reales (260 Euro) zu kommen, muss ein/e Pflücker/in 60 Kisten Orangen am Tag ernten. Viele Pflücker/innen verunglücken dabei schwer, da nur Leitern gestellt werden, die einem Sicherheitstest – wenn es einen gebe – nicht standhalten würden. Erkrankungen durch den allgegenwärtigen Einsatz von Pestiziden verlaufen schleichend.
Ausgründung und/oder Neugründung von Filialen an private Kaufleute, also eine klassische Privatisierung, verfolgt zum Beispiel Edeka strategisch. Bei der Nummer Eins im deutschen Lebensmitteleinzelhandel haben sich die Arbeitsbedingungen innerhalb weniger Jahre dramatisch verschlechtert. Und auch Rewe setzt inzwischen auf Privatisierung (Anteil: rund 30 Prozent), allerdings bisher nicht in so rasantem Tempo wie der Konkurrent Edeka. Konkret bedeutet das, dass sie die Tarifbindung verlassen und betriebliche Mitbestimmung häufig bekämpft wird. Gerne greifen die selbstständigen Kaufleute, die die ausgegründeten Filialen betreiben, auf Aushilfen, Leiharbeitskräfte und Beschäftigte von Werkvertragsfirmen zurück. Stundenlöhne zwischen 5 und 7,50 Euro sind dort eher die Regel als die Ausnahme.
Bei aller Unterschiedlichkeit der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Orangenpflücker/innen und Beschäftigten im privatisierten Einzelhandel bei Edeka und Rewe: hier wie dort sind diejenigen, die die schwerste körperliche Arbeit machen (Pflücker/innen dort und Packer/innen hier, die auf der Basis von Werkverträgen arbeiten), am verwundbarsten und am meisten Druck, Schikane, Angst und Ausbeutung ausgesetzt.
Mit der Veröffentlichung der Studie und einer Rundreise von brasilianischen Beschäftigten wollen CIR und ver.di den Druck auf die deutschen Handelsriesen erhöhen. Diese sollen endlich dem eigenen Anspruch einer sozialen Unternehmensverantwortung gerecht werden. Geknüpft an eine Einladung zum Dialog wird die Studie an Edeka, Rewe, Lidl/Kaufland und Aldi übergeben.
Der Artikel kann im Original hier nachgelesen werden:
Ausgepresst - Portrait einer Orangenpflückerin