Meine praktischen Erfahrungen bei „Privatisierungen“ von Edeka Filialen lassen sich am besten am folgenden Beispiel erzählen.
In einer Edeka Filiale gab es einen Betriebsrat mit einer Vorsitzenden, die bereits seit 24 Jahren Betriebsrätin in dem Unternehmen war. Bis es zum 01.01.2011 zur Privatisierung der Filiale kam.
Der Betriebsrat hatte im Jahr 2010 ca. dreimal Sitzungen und Besprechungen mit dem neuen Arbeitgeber. Die Liste von Fragen wurde auch beantwortet. Problem für den neuen Arbeitgeber waren vor allem die bestehenden Betriebsvereinbarungen. Der Betriebsrat wurde aufgefordert diese aufzulösen bzw. die Vereinbarungen zu kündigen. Außerdem wurde dem Betriebsrat mitgeteilt, dass die Beschäftigten neue Arbeitsverträge bekommen sollten und diese zu unterschreiben seien. Der Betriebsrat war weder bereit die Betriebsvereinbarungen zu kündigen noch neue Arbeitsverträge zu akzeptieren.
Am 31.11.2010 erhielten die Beschäftigten per Aushang eine offizielle Einladung zu einem Informationsabend von ihrem künftigen Arbeitgeber.
Am Ende der Veranstaltung wurden die Schreiben zum Betriebsübergang nach § 613 a verteilt. Da erhielt der Betriebsrat das erste Mal Kenntnis von der Absicht des neuen Arbeitgebers, dass den Betrieb in zwei einzelne Firmen aufspalten will. Das war für den Betriebsrat der Zeitpunkt des bösen Erwachens.
Nach Erhalt des Schreibens zum Betriebsübergang stellte der Betriebsrat fest, dass 4 MitarbeiterInnen ein anderer Arbeitgeber zugeordnet wurde als dem Rest der Belegschaft. Zu diesen 4 MitarbeiterInnen gehörte auch die Betriebsratsvorsitzende, die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende sowie zwei weitere Mitarbeiterinnen.
Somit war der Betrieb geteilt in den größeren Lebensmittelbereich und den kleineren Bereich Kiosk. Der Schriftführer des Betriebsrates blieb im Betrieb der zum Lebensmittelbereich gehört. Damit wurde auch der Betriebsrat in zwei Betriebe geteilt. Zu diesem Zeitpunkt war die Angst unter den Kolleginnen und Kollegen schon so groß, dass sie der Rückhalt für Widerstand und mögliche rechtliche Schritte fehlte. Der Betriebsratskollege der im Lebensmittelbereich verblieben war, war arrangierte sich mit seinem neuen Arbeitgeber. Die stellvertretende Vorsitzende war aus Angst um ihren Arbeitsplatz nicht recht bereit was zu unternehmen. So dass die Betriebsratsvorsitzende alleine dastand mit ihrem Ansinnen die Teilung des Betriebes anzuzweifeln. Die Folge der kollegialen Spaltung war, dass kein Einspruch erfolgte und das wiederrum bedeutete dass es keinen Betriebsrat mehr gab.
Dann ging es erst richtig los:
Im Bereich Lebensmittel wurden mit den MitarbeiterInnen sofort Gespräche über einen neuen Arbeitsvertrag geführt. Die KollegInnen unterschrieben die neuen Verträge mit der Folge, dass sie mit dem neuen Arbeitsvertrag diverse Verschlechterungen wie
100,00 Euro weniger Lohn dafür aber Lebensmittelgutscheine
Keine Zuschläge mehr
Keine Vor- und Nacharbeitszeiten mehr
Keine tarifliche Bezahlung mehr
Keine Lohnerhöhungen mehr, dafür zum Teil Benzingutscheine
Teilweise Versetzungen in andere Filialen
Im Ergebnis, keine Tarifbindung mehr, nur mehr Nachwirkung für wenige Beschäftigte. Der neue Arbeitgeber hat den bisherigen Schriftführer des Betriebsrates offiziell zum neuen Betriebsrat erklärt allerdings ohne Wahlen. Der Arbeitgeber ist der Ansicht, dass bei 35 Beschäftigten ein Betriebsratsmitglied reicht mit dem er alles bereden kann. Das Betriebsverfassungsgesetz interessierte da nicht mehr.
Die KollegInnen des Bereichs im Kiosk haben keine neuen Arbeitsverträge unterschrieben. Sie haben allerdings die Tariferhöhung aus dem Tarifabschluss 2011 nicht erhalten und versuchten zum Teil die Ansprüche gerichtlich durchzusetzen. Sie haben Weihnachts- und Urlaubsgeld durch die Nachwirkung des Manteltarifvertrages weiter erhalten, ebenso erhalten sie auch weiterhin die Zuschläge.
Da sie sich beharrlich weigerten neue Arbeitsverträge zu unterschreiben, hat der neue Arbeitgeber das Gehalt der Betriebsratsvorsitzenden ohne Vertragsänderung einfach von G III auf G II gekürzt. Eine vertraglich vereinbarte Zulage wurde ihr einfach gestrichen. Zudem erhielt die Kollegin eine Abmahnung, wurde nach ihrer Aussage gemobbt und extrem kontrolliert zum Teil auch vom Marktleiter des Lebensmittelbereiches. Die Kollegin wurde nebenbei von sämtlichen höherwertigen Aufgaben im Kioskbereich enthoben. Sie erhielt die mündliche Mitteilung, dass jetzt eine Kollegin für den Betrieb Kiosk verantwortlich ist.
Die Beschäftigten hatten Angst mit der Betriebsratsvorsitzenden zu sprechen. Wenn jemand beobachtet wurde, dass er mit der Vorsitzenden sprach wurde dies sofort an den neuen Arbeitgeber gemeldet.
Im Januar 2012 erhielt die bisherige Betriebsratsvorsitzende ihre Kündigung. Die Begründung lautete: betriebsbedingte Kündigung aber mit der mündlichen Erklärung, dass sie ja verheiratet sei und damit nicht auf das Geld angewiesen sei. Sie fand dies höchst diskriminierend. Die Kollegin war insgesamt über 30 Jahre in dem Haus und da kommt ein neuer Arbeitgeber und schickt die Kollegin mit 52 Jahren zur Arbeitsagentur.
Nebenbei bemerkt wurde die Kollegin die auch Mitglied des Gesamtbetriebsrates bei der Edeka Neukauf war immer von der Geschäftsleitung von Edeka Neukauf beruhigt, dass die Privatisierung keine negativen Auswirkungen auf die Beschäftigten hätte. Das stimmte ja dann wohl nicht so, denn
Die traurige Wirklichkeit ist:
Die Tarifbindung ist für die Meisten weg
Die Betriebsräte werden gefügig gemacht oder rausgemobbt
Es werden mit den Beschäftigten längere Arbeitszeiten vereinbart
Es gibt unbezahlte Arbeit
Es gibt Lohnkürzungen und neue Arbeitsverträge die schlechter sind für die Beschäftigten
Wie sagte die Kollegin in einem Gespräch zu mir: „Das sind die Auswirkungen wie ich sie erlebt habe und ich fürchte es geht allen so, die privatisiert werden und die Edeka schaut zu.“